Jüdisches Heidenreichstein im Jahre 1932

Es war ein wahres Wunderding, die Cottonstrickmaschine, die Moritz Honig in seiner Fabrik aufstellte, zunächst mit Dampf betrieben über eine Transmission laufend. Aber sie war in mehrerer Hinsicht nachhaltig für Heidenreichstein.

Wer die Festschrift des Jahres 1932 zur Stadterhebungsfeier und Waldviertelausstellung vom 27. bis 30. August durchblättert und die Personen des Ehrenausschusses liest, findet Namen wie: Gebrüder Eisert, den Feuerwehrhauptmann Sigmund Glaser, den Gemeindearzt Dr. Josef Hechter, Moritz Honig oder David Goldfeld. Es waren jüdische Bürger, die sich seit Mitte des 19. Jahrunderts in Heidenreichstein angesiedelt hatten. Ihr wirtschaftliches Wirken war ein wichtiger Beitrag zur Stadterhebung.

Die Gründung der Firma Honig
Vor allem war es Moritz Honig, der 1890 die Firma Pereles & Lang am Stadtplatz 8 (Fleischerei Bauer) übernahm. Er errichtete bald einen Neubau in der damaligen Pragerstraße. 1911 war die Eröffnung des neuen Werkes mit der schon erwähnten Cottonmaschine, benannt nach seinem Erfinder William Cotton. Dieses Gerät bedeutete eine ungeheure Automatisierung der Produktion, konnten an ihr doch bis zu 24 Strümpfe gleichzeitig produziert werden. So kam es zu einem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung, der inder Folge auch andere Unternehmen, vor allem Kaufleute wie Adolf Kollmann oder Karl Reich, nach Heidenreichstein brachte. 1920 übernahm Sohn Josef Honig den Betrieb und kaufte das Areal der Firma Franke & Hundshausen, die uns bekannte Färberei.

Die Cottonmaschine und der Bau der evangelischen Kirche
Die Wartung und Bedienung der Cottonmaschine war äußerst kompliziert. Sie wurde in Sachsen gebaut. Moritz Honig holte dafür den Spezialisten Paul Walther aus Chemnitz. Ihm folgte eine ganze Reihe von Fachkräften, die als die „Cottonstricker“ den Adel der Textilarbeiter bildeten. Sie waren evangelisch, sodass die Zahl der Gemeindemitglieder der evangelischen Gemeinde A.B. (Augsburger Bekenntnis) schnell stieg. Das führte 1908 zum Bau der evangelischen Kirche, der ältesten des Waldviertels.

Neue Siedlungen entstehen
In diesen Jahren gab es auch eine rege Bautätigkeit. Schon 1912 wurde die Honigkolonie errichtet, 1923 die vier Arbeiterhäuser am Stadtberg und die beiden Direktionsvillen am Ufer des Hofwehrteiches. Die Gebrüder Eisert bauten ab 1912 die heute als Eisertkolonie bekannte Siedlung.

Weitere Betriebe im jüdischen Besitz im Jahr 1932:

  • Gebrüder Josef und Wilhelm Eisert, Lederwarenerzeugung
  • Sigmund Glaser, Likördestillation, Jägergasse 4
  • David Goldfeld, Strick- und Wirkwaren, Waidhofnerstraße 10
  • Erwin Goldreich, Handschuh- und Sockenerzeugung, Rosengasse 4
  • Adolf Kollmann, Radioapparate, Nähmaschinen, Fahrräder, Glas und Porzellan, Geschirr, Stadtplatz 8
  • Karl Reich, Versandhaus für Manufaktur-, Schuh- und Textilwaren, Schulgasse 1
  • Hermann Kolb, Verkauf von Hüten, Stoffe und Schuhen, Stadtplatz 4